Montag, 1. August 2011

Auslandsaufenthalt in China - Teil 1: Jan Bauer

(Gastbeitrag: Jan Bauer)
Foto © Jan Bauer
Mein Name ist Jan Bauer, ich bin 22 Jahre alte und studiere “Internationales Transport Management” im nunmehr 5. von 7 Semestern an der Jadehochschule im beschaulichen Elsfleth in Niedersachsen mit seinen ~9.000 Einwohnern. In unserem Bachelorstudiengang werden vor allem Inhalte der Logistik mit maritimen Fokus (Reedereibetriebslehre, Entwicklungen in der Schifffahrt usw.) gelehrt, aber es gibt auch Veranstaltungen für „normale“ Logistik, die Bereiche wie Supply Chain Management oder Produktionslogistik betreffen.

Obwohl die FH in Elsfleth sehr klein ist, habe ich mich vor allem aus 2 Gründen für ein Studium dort entschieden. Als erstes natürlich der Logistik Schwerpunkt, wobei mich die maritime Logistik nicht ganz so sehr interessiert. Mein Schwerpunkt liegt ganz klar im Supply Chain und Operations Management. Auch wenn ein großer Teil unserer Absolventen später im maritimen Bereich arbeitet, so zieht es doch auch viele in die Automobilbranche oder in die Logistikabteilungen von Unternehmen.

Der zweite Grund war und ist ein integriertes Auslandsjahr, was sich in ein Theorie- und ein Praxissemester unterteilt, welche beide in einem nicht-deutschsprachigen Land absolviert werden müssen. Ich habe mich schon in jungen Jahren vor allem für die Kultur, Geschichte und Menschen Japans interessiert. Im Laufe meines Werdegangs, der Ausrichtung zur Logistik und im Verlauf der Geschichte ist jedoch China immer weiter in meinen Fokus gerückt. China ist als „Exportweltmeister“ natürlich gerade für die Logistiker interessant, denn irgendwie müssen die ganzen Güter ja transportiert werden. Da sich auf lange Sicht benötigte Qualität und Umfang der Logistikdienstleistungen stark erhöhen und verändern wird, ist China ein sehr interessanter (Berufs-) Markt der Zukunft für mich.

Mein Theoriesemester habe ich in Hongkong, sozusagen als Asieneinstieg „light“, im Studiengang „Global Supply Chain Management“ absolviert. An sich mag ich große Städte sehr gerne und auch Hongkong hat mich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Natürlich war die Universität sehr viel größer als meine kleine FH, aber damit hatte ich keine Probleme, denn ich hatte die Möglichkeit viele neue Leute kennen zu lernen. Neben den vielen „locals“ gab es auch etwas über 200 Austauschstudenten, so dass man unglaublich viel unternehmen konnte.

Ursprünglich hatte ich vor, auch mein Praxissemester in Hongkong zu absolvieren, was jedoch leider nicht geklappt hat. Letztendlich bin ich dann in Qingdao, China (da wo das Tsingtao Bier herkommt) bei DB Schenker gelandet.

Hier bin ich seit Anfang Juli 2011 im Project & Logistics Department im Einsatz, welches sich in Qingdao momentan hauptsächlich mit Logistik und Warehouse Management beschäftigt. Mein Aufgaben liegen bis jetzt im Kennenlernen der Abläufe, Erstellen von Reports und seit neuestem bin ich damit beauftragt, einen Arbeitsprozess in einem unserer Lagerhäuser zu optimieren, wobei mir meine im Studium erworbenen Excelkenntnisse dabei sehr zugute kommen. Bald nehmen wir ein neues Lagerhaus in Betrieb, dessen Start ich dann aktiv begleiten soll.

Allerdings muss man beim Thema Praktikum in China etwas vorsichtig sein bzw. seine Erwartungen anpassen, weil Praktika in China noch nicht sonderlich verbreitet sind. So kann es passieren, dass es, wenn man für eine chinesische Firma arbeitet, keine klaren Aufgaben und Zuständigkeiten gibt. Man muss sich stark selbst einbringen und sich Aufgaben holen. In den meisten Fällen werden westliche Praktikanten eingestellt, um deren lokale Märkte zu erschließen bzw. die Kunden dort zu betreuen. Es kann auch passieren, dass sich die chinesische Firma ein internationales Aussehen geben möchte und daher jemanden aus dem Westen bzw. mit kaukasischem Aussehen anstellt. Hier kann es dann sein, das man dann nur als Zierobjekt ohne Verantwortung / Aufgaben im Büro hockt. Bei Großkonzernen aus dem Westen ist dies aber normalerweise kein Problem bzw. nicht viel anders gelagert als in Deutschland.

Für die Dauer meines Praktikums lebe ich in einer Gastfamilie, die aus einem Ehepaar mittleren Alters und deren 5 Jahre altem Sohn besteht. Leider leben wir etwas abgeschieden vom Stadtzentrum, so dass ich jeden Tag ca. eine Stunde mit dem Bus zur Arbeit fahren muss. Dafür entschädigt mich aber das gute Essen, die unglaublich freundlichen Leute im Bus und die einmalige Erfahrung das Leben einer chinesischen Familie aus einer einzigartigen Perspektive kennen zu lernen. Mein Gastbruder ist quicklebendig, immer für einen Spaß zu haben und versucht mir immer etwas Chinesisch beizubringen.

Das Leben in Qingdao ist sehr entspannt und obwohl hier für deutsche Verhältnisse alles etwas chaotischer zugeht, so ist es doch ein sehr lebenswerter Ort. Die Stadt wurde zu einem der besten Plätze zum Leben in China gekrönt, was ich bis jetzt nur bestätigen kann. Es gibt zwar auch ein paar für China typische, aus europäischer Sicht eher „gewöhnungsbedürftige“ Sachen, wie z.B. Kinder mit offenen Hosen, die ihr Geschäft verrichten wo sie grade sind, oder dass die während des Essens ungewollten Dinge die auf den Tisch gespuckt werden, und dann zum Reinigen des Tisches auf den Boden gewischt werden. Aber wie sagt man so schön: „Andere Länder, andere Sitten“.

Im Vergleich zu Deutschland ist das Leben hier sehr günstig, vor allem was Essen und Kleinkram angeht. Im Bezug auf Markenkleidung oder Autos (zumindest die ausländischen Marken) sind die Preise mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar etwas höher. Qingdao hat sich noch recht viel von seinem Erbe als deutsche und japanische Kolonie erhalten und zusätzlich geht es der Stadt wirtschaftlich sehr gut, was sich auch an ihrem Aussehen wiederspiegelt. Daher ist sie vielleicht auch nicht der beste Maßstab um China als Land zu messen. Dies sieht man zum Beispiel zu allererst an den Autos. Es sieht im Straßenverkehr doch recht europäisch aus: es werden vornehmlich moderne deutsche Autos der mittleren bis gehobenen Preisklasse gefahren, wobei sich Audi und vor allem VW hier ein starkes Standbein gebaut haben. Zwischen den Autos gibt es natürlich auch ein paar chinesische Modelle aber im Vergleich zu anderen Städten, ist der Anteil sehr gering.

Während meiner Zeit in Hongkong war ich nur einmal kurz in China um dort Urlaub zu machen. Hier hat man Unterschiede zwischen Europa und China wesentlich mehr gemerkt/gesehen: Es sieht teilweise (wohl auch aufgrund der vielen Betonbauten) irgendwie trist aus, etwas abgewirtschaftet und diesig von den ganzen Fabriken/Smog. Vielleicht waren meine Eindrücke auch etwas durch meinen Aufenthalt in Hongkong getrübt, denn dort ist es, abgesehen vom Smog, immer sehr sauber (so manche S-Bahn in deutschen Großstädten könnte sich was von der MTR in Hongkong abgucken). Und auch obwohl Hongkong seit 1997 mit Sonderstatus offiziell wieder zu China gehört, so sind die Unterschiede im Vergleich zu den meisten chinesischen Städten, durch die ich bis jetzt gekommen bin, eklatant. Da ist zum einen die Beschränkung des Informationsflusses was Internet und Medien angeht und zum anderen vor allem die Wirtschaftskraft welche sich unmittelbar auf das Aussehen der Stadt auswirkt. Natürlich hat China auch seine schnell wachsenden und modernen Großstädte wie Shanghai und schönen Ecken wie z.B. die Reisterassen um Guilin oder die Umgebung von Yangshuo. Ich hatte bis jetzt noch nicht allzuviel Zeit durch China zu reisen, aber bald werde ich einen Besuch in unserem China-Hauptquartier in Beijing mit einem Besuch der Stadt verbinden. Am Ende meines Praktikums im Januar 2012 habe ich noch ca. einen Monat, bevor ich zurückkehren muss, um das Land zu erkunden.

Natürlich vermisse ich manchmal ein paar Sachen, vor allem das deutsche Essen. Manchmal habe ich einfach Heißhunger auf ein Mettbrötchen oder (als Nordlicht) eine schöne Portion Grünkohl. Bis jetzt gehe ich aber davon aus, dass ich später wieder in China tätig sein werde. Ideal wäre natürlich eine Anstellung bei einer deutschen Firma, die mich dann nach China entsendet. Höchst wahrscheinlich werde ich noch einen Master an meinen Bachelor ranhängen, aber es bleibt abzuwarten wie sich alles entwickelt. Auf jeden Fall ist China ein riesen Land im Umbruch, welches viele Chancen aber auch ein paar Risiken birgt. Ich habe mich dazu entschieden an diesem Umbruch teilzuhaben und kann jedem nur empfehlen, sich zumindest für einen etwas längeren Zeitraum in diesem riesigen Land aufzuhalten und sich damit zu beschäftigen. Ich kann versprechen, es wird eine Erfahrung, die man nicht so schnell vergisst.

Links zum Thema:
Rubrik Auslandsaufenthalte auf Studentenpilot.de

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